Geschrieben am 26.10.2021

Begeisterung entfachen ist das Ziel

Ärzteversorgung — Uni Tübingen und Kreis Calw starten gemeinsames Modellprojekt

Die Universität Tübingen und der Landkreis Calw spannen nun zusammen, um dem Nachwuchsmangel auf dem Landärzte-Sektor entgegenzutreten. Die Auftaktveranstaltung mit vielen wichtigen Gästen fand nun in Bad Teinach statt.


Bad Teinach-Zavelstein/Tübingen. »The next big thing«, kündigte Martin Oberhoff, stellvertretender Direktor der Kreiskliniken Calw-Nagold, vollmundig an und bediente sich dabei eines Zitates des legendären Apple-Chefs Steve Jobs. Doch der Co-Klinikdirektor präsentierte etwa nicht ein neues Smartphone oder andere bahnbrechende Technik, sondern seinen Wortbeitrag zum Landesprojekt »Modellregionen für Ärztliche Ausbildung«.


Der Mangel an Hausärzten und Ärzten allgemein im ländlichen Raum wird auch im Kreis Calw immer spürbarer. Deshalb tun sich nun Landkreis und Universität Tübingen unter besagtem Projekttitel zusammen, um sich gemeinsam mit aller Kraft gegen diesen Trend zu stemmen. Gelingen soll das, indem junge Studenten für die Arbeit in ländlichen Hausartzpraxen begeistert werden. Und zwar schon frühzeitig, wie bei der Auftaktveranstaltung deutlich wurde.


»Eine Vernetzung aller Partner ist wichtig, um die medizinische Versorgung sicherzustellen«, erklärte sodenn auch Frank Wiehe, Erster Landesbeamter im Kreis Calw der Gästeschar im Residenzsaal des Hotel Therme Teinach am Freitagmorgen. Die Lehre von der Universität raus aufs Land zu bringen, das sei der Schlüssel zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung im ländlichen Raum, zeigte sich Oberhoff überzeugt. Aktuell laufe das mit dem Stipendiaten-Programm, im Rahmen dessen bereits 16 Studenten im Kreis aktiv sind.


Jetzt soll an der Tübinger Eberhard Karls Universität das Angebot für den ländlichen Raum ausgebaut werden. Wie Stefanie Joos, Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin an der Bildungsstätte am Neckar, erklärt, wird hierbei nicht etwa ein komplett neuer Studiengang aus der Taufe gehoben. Vielmehr soll eine sogenannte »Neigungsorientierung« mit zusätzlichen Inhalten angeboten werden. Konkret werden dann zum Beispiel Praxisphasen im Landkreis Calw absolviert oder Praktika sowie Wahlfächer angeboten. »Am Ende sollen Ärzte mit unterschiedlichen Kompetenzen herauskommen«, sagt Joos. Übrigens wurde inzwischen auch das Calwer Krankenhaus von der Tübinger Uni zum akademischen Lehrkrankenhaus erhoben – Studenten können dann hier ihre Praxisphase während des Studiums ableisten.


Einen Zwang, im ländlichen Raum nach Abschluss des Medizin-Studiums anzufangen, soll es indes nicht geben – außer bei der Landarztquote innerhalb des Stipendien-Programms, die schon in einer frühen Studienphase die angehenden Ärzte verpflichtet, später auf dem Land zu arbeiten.


Grundsätzlich ist aber das Ziel oder besser gesagt die Frage, die über allem steht: »Wie bekommen wir junge Ärzte begeistert für den ländlichen Raum?«, fragte Stephan Zipfel, Prodekan der medizinischen Fakultät der Tübinger Uni. Das, da waren sich alle einig, gelingt mit einer frühen Begeisterung für den ländlichen Raum. Viele Facetten der Medizin gebe es auch auf dem Land und im Kreis Calw – seien es die Hausärzte, die Fachärzte, der jüngst mit Spatenstich gestartete Gesundheitscampus in Calw, die beiden Kreiskliniken oder aber auch das Zentrum für Psychiatrie in Hirsau. Überall dort könne Lehre und Aus- respektive Weiterbildung stattfinden.


Gerade mit Blick auf das ZfP, wo alsbald umfangreich digitalisiert werden soll, gebe es viele Möglichkeiten. »Das kann ein Trainingsraum für Studenten werden«, überlegte Oberhoff. Ideen gibt es also genügend, allerdings werden die detaillierten Inhalte erst noch ausgearbeitet.


Die Studenten selbst kamen am Freitagmorgen ebenfalls zu Wort. Der Wunsch: Eine gute Anbindung an das lokale Gesundheitsnetzwerk, damit es auch feste Ansprechpartner gibt. Zudem ein fundamentaler Knackpunkt: die Mobilität. Nicht jeder habe ein Auto und man müsse ja auch von Tübingen in den Kreis Calw kommen, mahnten die Studenten an. Eine mögliche Lösung: Vergünstigte ÖPNV-Tickets oder gar gestellte Fahrzeuge.


Wiehe sah hier als Schlüssel vor allem die Hesse-Bahn, die die Bahnverbindung auch in Richtung Stuttgart deutlich aufwertet. Grundsätzlich sehen die Studenten aber gerade das familiäre Umfeld als Stärke im ländlichen Raum. Hier gebe es keine riesigen Einheiten wie an einer Uniklinik, sondern alles sei kleiner und dadurch überschaubarer.


Jetzt gilt es, mit »intelligenten Lösungen« dafür zu sorgen, dass diese Begeisterung noch von mehr Studenten geteilt werde, so Zipfel.


Gefördert werden diese Modellprojekte, wovon es mehrere im Land gibt, übrigens vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst. 1,5 Millionen Euro macht das Land hierfür locker. Am Ende der Veranstaltung trafen sich alle Beteiligten noch in Kleingruppen und brachten erste Ideen ein, die dem Modellprojekt Leben einhauchen sollen.


»Die Diskussionen in den Gruppen waren sehr lebhaft, es kam viel Input von den Teilnehmern. Nun geht es in die Erstellung des Lehrcurriculums, bei dem die Ergebnisse der Workshops berücksichtigt werden«, berichtete Janina Müssle, Pressesprecherin des Landratsamtes abschließend.


Von Sebastian Buck
Schwarzwälder Bote, Teil Nordschwarzwald vom 23.10.2021